Tiflis – Martuni (06.05 – 10.05)
Auf unserem Weg hinaus aus Tiflis hatten wir das altbekannte Großstadtproblem. Man fährt erstmal mehr als 10 Kilometer auf einer stark befahrenen Straße durch meist hässliche Vorstadtsiedlungen und Industriegebiete. Und das macht überhaupt keinen Spaß. Doch irgendwann war der nervige Part vorbei und kurz darauf begegnete uns eine iranische Radreisegruppe von 16 Personen. Das war vielleicht eine Überraschung. Wir hielten an und wurden von allen Seiten angesprochen. Auch wir waren neugierig, wo wir doch schon recht bald in den Iran einreisen werden. So erkundigte ich mich, in welchen Klamotten ich am besten Radfahren sollte, da viele der iranischen Frauen in Georgien ohne Kopftuch und mit engen Radhosen unterwegs waren. Das geht im Iran aber nicht, was mich nicht wirklich überraschte. Nach einer Einladung, geschenktem Brot und Nüssen machten wir uns weiter auf den Weg Richtung Armenien, regelrecht beflügelt von dieser Begegnung. Am diesem Tag wurden wir reich beschenkt. Nicht nur von den Iranern, sondern auch von einer Minimarktinhaberin (süßes Gebäck), Apfelverkäufern und der armenischen Polizei (Cola), direkt nachdem wir die Grenze überquert hatten.
Unser eigentlicher Plan wild zu campen wurde von Sofia, einer älteren Frau, die in einer Blechhütte am Straßenrand lebt und dort auch ein kleines Restaurant betreibt, über den Haufen geworfen. Sie zeigte uns Fotos von anderen deutschen Radreisenden, die sich in einer Karte bei ihr für Essen und Schlafplatz bedankten. Das überzeugte uns und wir einigten uns mit ihr auf circa 14 Euro für Abendessen und Übernachtung. Trotz der Sprachbarriere klappt so etwas meistens erstaunlich gut, hilfreich sind allerdings Block und Stift. Das Essen war echt gut, unser Schlafplatz entstand auf einem ausgebreiteten Teppich im Esszimmer und wir gaben uns mit grober Katzenwäsche zufrieden, da der Wasserhahn vorm Haus nicht funktionsfähig war. Auch ein Blick ins Toilettenholzhäuschen lud nicht gerade zum Verweilen ein. Es bestand aus einem Holzbrett mit Loch und eine Kule im Boden darunter. Aber es gab Strom. Für eine Nacht für uns kein großes Problem, aber so zu leben ist einfach unvorstellbar.
Nachdem wir dann am nächsten Morgen doch etwas mehr zahlen sollten als eigentlich verhandelt war, trübte das das freundschaftliche Verhältnis ein bisschen und der Abschied fiel nicht ganz so schwer. Wieder einmal führte unser Weg durch ein Flusstal, das links und rechts von Bergen gesäumt war. Leider stellte sich irgendwann heraus, dass unsere geplante Route gesperrt war und so mussten wir uns Höhenmeter für Höhenmeter vom Flusstal entfernen. Letztendlich belief sich der Umweg auf circa 40 Kilometer und wir verbrachten die Nacht in Stepanavan, wo wir in unserem Hotelzimmer mit Gaskocher Nudeln und Gemüse kochten.
Am nächsten Tag registrierte ich die Anfänge einer Erkältung, doch wir starteten trotzdem. Mit Rückenwind ging es bergauf, bis wir einen Tunnel erreichten. Da stellen sich einem direkt mehrere Fragen: Wie lange ist der Tunnel, geht es bergauf oder bergab oder verläuft er gerade, wie gut ist die Belüftung, gibt es eine Beleuchtung, kann er umfahren werden?
Diese Punkte galt es zu klären. Das dauerte auch gar nicht so lange, doch dann hatten wir die Qual der Wahl: abschüssiger Tunnel mit über 2000 Meter Länge und eher schlechter Belüftung und Beleuchtung oder 300 Höhenmeter extra. Der gesunde Menschenverstand sagt, fahr den Umweg! ABER faul ist der Mensch halt auch, wozu haben wir schon Rücklicht und Warnweste. Sicherheitshalber hielten wir aber noch das nächste Auto an und baten den Fahrer im Tunnel hinter uns zu fahren und dann ging es los. Im Tunnel war es recht laut und stickig und Paul rief mir nach den ersten 500 Metern etwas zu, wovon ich nur das Wort „ersticken“ verstand und etwas in Panik verfiel. War ich froh, als Licht am Ende des Tunnels in Sicht kam und wir wieder Himmel über uns hatten. Das dauerte zwar nur drei Minuten, fühlte sich aber viel länger an. Außerhalb des Tunnels stellte sich heraus, dass Paul im Tunnel Bauarbeiter gesehen hatte (ich mit Sonnenbrille nicht) und meinte: „wenn die hier drinnen arbeiten, können wir auch nicht ersticken“. Tja, da gab es wohl ein Missverständnis, trotzdem, gesund kann das nicht sein, vor allem weil die vielen alten Autos hier ganz schönen Dreck ausstoßen, das ist manchmal schon auf offener Straße unangenehm. Der Rest des Tages war vom bergab und bergauf fahren geprägt und verschlimmerte meine Erkältung. Trotzdem erreichten wir Dilijan, verbrachten dort dann aber auch den folgenden Tag, da ich mich nicht fit genug fühlte um weiter zu fahren. Dort hörten beziehungsweise sahen wir zum ersten Mal ein United World College, dieses besuchen Jugendliche von 16 bis 19 Jahren der ganzen Welt. Wir sind begeistert von dem Konzept, aber leider schon zu alt :-).
Nach einem Ruhetag packten wir es wieder an, beziehungsweise strampelte Paul uns den Berg hoch (diesmal inklusive 300 Höhenmeter extra um einen Tunnel mit Steigung zu umgehen), da mir jegliche Energie fehlte. So richtig konnte ich daher auch die tollen Aussichten nicht genießen und freute mich, nachdem wir ab 2130 m ü. NN bergab in Richtung des Sevan Sees rollten nur noch auf irgendein Bett. Zum Glück bekam ich das auch recht schnell und verbrachte dann auch wieder zwei Nächte und einen Tag in diesem während Paul einen Abstecher in die 70 Kilometer entfernte Hauptstadt Jeravan machte. Der Sevan See liegt nämlich auf circa 1900 m ü. NN und lädt daher Mitte Mai noch nicht zum Schwimmen gehen ein.
Ganz im Gegenteil, während unseres Aufenthaltes jagte bei Temperaturen zwischen 5 und 15 Grad ein Gewitter mit Starkregen oder Hagel das Nächste. Da hat sich das im Bett bleiben mehr als gelohnt.
Freitagmorgen fühlte ich mich wieder etwas besser und bereit weiter entlang des Sees zu fahren. Nach einem geschenkten türkischen Kaffee an einer Tankstelle begegneten wir einem anderen radreisenden Paar, er aus Italien, sie aus Frankreich. Die beiden sind seit drei Jahren in der Welt unterwegs und jetzt auf dem Heimweg. Bei einem Mittagessen mit landestypischem Kebab und Schaschlik tauschten wir viele Informationen aus und gaben uns gegenseitig Tipps für die kommenden Etappen. Der Nachmittag verwöhnte uns mit einer wunderschönen Radstrecke entlang des Sees, auf welcher der Tacho auf 3000 bereits zurück gelegte Kilometer sprang. Zusätzlich schenkte uns ein Straßenverkäufer zwei getrocknete Fische, welche wir am Abend in Martuni auch gleich in die Brotzeit integrierten.
Hallo Ihr 2, sehr schön – mal abgesehen von Johannas Erkältung hört sich das ja super an! Wir haben inzwischen Turkmenistan hinter uns gelassen. War interessant. Wenn Ihr möchtet, geben wir Euch gerne ein paar Tipps für dieses etwas andere Land – recht sinnvolle Tipps. Schreibt uns dazu per Email an (ist angegeben unten). Viele Grüße und weiterhin alles, alles Gute, Marta und Frank