Grenze Armenien/Iran – Ardabil (19.05 – 25.05)
Nach einem unproblematischen Grenzübergang sind wir im Iran. Lange Hosen sind hier eigentlich für beide Geschlechter Pflicht. Anfangs hat sich Paul auch daran gehalten, doch vor allem mir setzte die drückende Hitze zu, da ich mit langer Hose, Bluse und Kopftuch bergauf mehr als sonst ins Schwitzen kam. Auch wirkte die iranische Seite viel karger und trockener, warum können wir uns aber nicht erklären. Da wir langsam müde waren vom vielen bergauf fahren, hielten wir nach recht kurzer Zeit einen Pickup an und ließen uns samt Tandem auf der Ladefläche nieder. So gelangten wir ohne Anstrengung, aber mit ordentlichem Fahrtwind in die nächste Stadt, wo wir ein spätes Mittagessen zu uns nahmen und gleichzeitig eine iranische Simkarte geschenkt bekamen. Wieder auf dem Fahrrad gerieten wir in ein Gewitter, zwar zog dieses schnell vorbei, aber der nächste Regen ließ nicht lange auf sich warten. Daher nahmen wir gerne das Angebot einer Familie an, diesen auf ihrer Terrasse abzuwarten. Für den Abend suchten wir uns einen blickgeschützten Zeltplatz und kochten Spaghetti.
Unser zweiter Tag im Iran begann windig und leider kam der Wind aus der falschen Richtung. Also praktizierten wir nach einer Stunde Quälerei das, was am Tag zuvor schon super funktioniert hatte. Nur das ich diesmal nicht mit im Laderaum saß, sondern vorne zwischen den beiden Herren Platz nahm. Weit kamen wir aber erstmal nicht, da wir einen Platten hatten. Scheinbar aber keine Seltenheit, daher war das Problem schnell behoben und weiter gings. Ich bekam vorne Tee und machte Selfies mit den beiden, die Verständigung funktionierte aber nicht so gut. Nur dass sie total fassungslos waren, dass wir den Berg ursprünglich mit dem Tandem nehmen wollten, das war deutlich zu verstehen.
Als wir den höchsten Punkt erreicht hatten ließen wir uns absetzen und machten uns bei diesigem Wetter auf den Weg nach Tabriz. Dies klappte aufgrund des Wetters nicht ganz ohne Zwischenstopp, aber wir waren froh, als es draußen hagelte und stürmte in einer sicheren Hütte zu Tee und Mittagessen eingeladen zu sein. In der Gesellschaft von einigen Männern von denen einer wenige Worte Englisch sprach und mit Deutschland als erstes Jürgen Klinsmann in Verbindung brachte lernten wir unsere ersten Worte Persisch. Danach machten wir uns dankbar und gesättigt auf zu unseren Warmshower Gastgebern, wobei uns oft Autos überholten und überschwänglich zuwinkten und hupten.
Der Aufenthalt in Tabriz brachte uns der iranischen Kultur näher. Aus Umständen, die sich uns nicht hundertprozentig erschlossen, wurden wir bei der Schwester unserer Gastgeberin untergebracht. Trotzdem verbrachten unsere Gastgeber viel Zeit mit uns. Wir besuchten gemeinsam den Bazar, gingen abends zum Picknick in den Park, bereiteten gemeinsam Dolmä (gefüllte Weinblätter) zu und fuhren mit einer Gondel auf einen nahe gelegenen Berg, tranken dort Tee und genossen die Aussicht. Außerdem führten wir Gespräche über iranische Politik und die vielen Einschränkungen im Land, welche die beiden überhaupt nicht gutheißen. Frauen müssen immer Kopftuch, lange Oberteile und Hosen tragen, sie dürfen in der Öffentlichkeit nicht tanzen und keine Fußballstadien besuchen. Unsere Gastgeberin meinte auch, dass sie nicht alleine mit dem Fahrrad durch die Stadt fahren würde, verboten ist es glaube ich nicht, aber von vielen konservativen Iranern nicht gerne gesehen und das würde sie dann auch zu hören bekommen. Alkohol ist auch komplett verboten, Schnaps wäre aber genug vorhanden gewesen, scheinbar muss man nur jemanden kennen, der jemanden kennt und so. Die Familie füllte auch Leitungswasser in leere Wodka Flaschen ab um es im Kühlschrank zu lagern. Das wäre bei uns schon fast ein No-Go.
Alkoholfreies Bier/ Radler kann man aber ganz normal kaufen, das trinkt besonders der achtjährige Sohn der Familie sehr gerne – schräger Anblick.
Der Unterschied zu Armenien ist gewaltig, aber wir sind begeistert von den Bazaren, welche voller Leben sind und wo Trockenfrüchte und Nüsse neben den Läden von Messerschleifern verkauft werden und in großen Gewölbehallen hunderte von Teppiche in allen möglichen Ausführungen angeboten werden.
Mir geht das Kopftuch jetzt schon enorm auf den Keks und alles andere, was die wirklich netten und gut ausgebildeten iranischen Frauen einschränkt. Kürzlich fanden im Iran Wahlen statt und die Bevölkerung stimmte erneut für Hassan Rohani. Dieser sprach sich im Wahlkampf für mehr Freiheiten aus, ob diesbezüglich viel passieren wird ist unklar, da den höchste Posten und damit auch das letzte Wort ein geistliches Oberhaupt inne hat, welcher nicht vom Volk gewählt wird. Trotzdem haben zumindest unsere Gastgeber in Tabriz die Hoffnung noch nicht aufgegeben, das sich etwas ändern wird, hören verbotenerweise westliche Musik, trinken hin und wieder Schnaps, tragen das Kopftuch so, dass es beinahe in den Nacken rutscht und nutzen den Ramadan zum Beispiel zum Bergsteigen, da dann nicht so viel los ist, weil viele mit leerem Magen Zuhause sitzen und auf die Dämmerung warten.
Unser nächstes Ziel steuerten wir mit einem Bus an, mit dem Fahrrad hätte diese Strecke sicher keinen Spaß gemacht.
In Ardabil nahmen wir uns eine Unterkunft und einen Tag Zeit um die Stadt auf eigene Faust zu erkunden. Wir waren noch immer wie berauscht von diesem Land, der Kontrast zu Armenien ist enorm. Man meint nicht, dass wir einfach nur eine Grenze überquert haben. So streiften wir durch die Stadt, bewunderten Moscheen, wurden auf dem Bazar zum Tee eingeladen und immer wieder angesprochen, wo wir her seien mit einem abschließenden „Welcome to Iran“.
Im Übrigen sind wir derzeit verheiratet, alles andere würde auf ziemliches Unverständnis treffen und man würde uns wahrscheinlich nicht gemeinsam in einem Raum übernachten lassen. Zwar werden wir auch oft gefragt ob wir Geschwister sind, aber da geben wir uns lieber als Mann und Frau aus. Freundschaften zwischen Frauen und Männer gibt es hier nicht, daher ist das mit dem Kennenlernen auch gar nicht so einfach, ich bin gespannt wie viel wir darüber in den restlichen drei Wochen hier noch erfahren.
Wow, cool! Eine andere Welt. Die Basare wären auch was für mich.
Beneidenswert, was ihr alles seht!
Weiterhin gute Reise
Die Bazare sind tatsächlich toll und vorallem ist alles sehr unaufdringlich. Keine Schlepper oder ähnliches.
Das würde ich auch gerne erleben, zumindest solange ich abends wieder in mein 3-Sterne-Plus-Hotelzimmer zurück könnte…☺
Die Dichte guter Hotels ist relativ hoch (zumindest sieht es von außen so aus 😉 , für jeden Tag könnte es aber in bisschen knapp werden.