Sarakhs – Bukhara (17.06 – 19.06)
Ein bisschen aufgeregt waren wir schon am Abend bevor es nach Turkmenistan ging. Eines der verschlossensten Länder der Welt. Touristen kommen kaum ins Land und die eigene Bevölkerung darf die Heimat nur in Ausnahmefällen verlassen. Die Menschenrechtslage soll auf Augenhöhe mit Nordkorea und Eritrea liegen. Wir haben eines der unter den Überlandreisenden begehrten Transit Visa ergattert… Eins ist klar, dieses Land will keine Touristen, daher werden scheinbar willkürlich über 50 Prozent der Visumsanträge abgelehnt und wer ein Transitvisum (die einzige Option ohne ständige Begleitung durch einen Guide) bekommt, der hat fünf Tage Zeit.
Die iranisch – turkmenische Grenze öffnet offiziell um 8 Uhr morgens. Wir sind typisch deutsch pünktlich da, bis wirklich was passierte war es allerdings schon 9 Uhr. Zum Glück hatten wir schon vorher beschlossen, Turkmenistan nicht auf dem Fahrrad zu durchqueren, denn dann hätten wir das, aufgrund der sehr knappen Zeit, nicht so locker gesehen. Hinter dem iranischen Grenzzaun, auf der Grenzbrücke, entledigte ich mich zu allererst meinem Kopftuch und kurz darauf erblickten wir schon den ersten asiatisch aussehenden Grenzbeamten.
Auf turkmenischer Seite kamen wir sofort an die Reihe. Zuerst mussten wir eine turkmenischsprachige Zollerklärung ausfüllen (und unterschreiben) und dann den Inhalt jeder einzelnen Tasche auspacken und teilweise erklären (Essig, Gemüsebrühe etc.). Letztendlich durften wir aber alles wieder einpacken und bekamen den Stempel in den Pass. Außerdem wurden unsere Passdaten an diversen Checkpoints vor und nach dem eigentlichen Grenzgebäude in dicke (analoge) Bücher eingetragen.
Direkt nach der Grenze fanden wir ein großes Taxi vor und verhandelten geduldig um einen einigermaßen vernünftigen Preis. Für 45 USD ging’s 330 km Richtung Ashgabat mit einem Zwischenstopp an einem Restaurant inklusive dem ersten richtigen Bier nach Wochen der Abstinenz, mitten in der platten Wüste. Außerdem passierten wir einige Polizeikontrollen, mussten aber nur an zwei anhalten, wobei einmal unsere Personaldaten in ein weiteres dickes Buch eingetragen wurden. In Ashgabat steuerten wir eins der dort günstigsten Hotels an. Leider zahlen Ausländer in diesem Land für Unterkünfte sechs Mal so viel wie Einheimische, weswegen wir so tief in die Tasche greifen mussten wie auf der ganzen Reise noch nicht. Der hohe Preis hatte leider keine Auswirkungen auf die Qualität des Zimmers. Den Abend nutzten wir um einen ersten Rundgang durch die Stadt zu unternehmen. Man kommt aus dem Staunen nicht mehr hinaus, es reiht sich Marmorprachtbau an Springbrunnen und entlang der überdimensionierten Straßen finden sich immer wieder in der Sonne glänzende Statuen. Menschen sind dagegen kaum zu sehen. Die meisten dieser Bauwerke darf man nicht fotografieren, dies ist nirgendwo gekennzeichnet, dafür stehen aber überall Polizisten herum die einen schnell darauf hinweisen, sobald man die Kamera herausholt. Doch das ist nicht alles, man kann sich auch nicht frei bewegen, ständig mussten wir wieder umdrehen, da Polizeibeamte durch Handzeichen deutlich machten, dass die Straße gesperrt sei. Einmal durften wir nicht Mal stehenbleiben um ein Gebäude zu betrachten, sondern wurden energisch weitergewunken. Verlässt man allerdings die Hauptstraßen gelangt man schnell in die Wohnviertel der Normalbevölkerung. Die Straßen sind teilweise nicht asphaltiert und die Häuser sehr einfach gebaut, ein wahnsinniger Kontrast. Was uns positiv auffiel waren die Frauen. Nach einem Monat im konservativen Iran konnten wir uns beide kaum satt sehen an den vielen bunten und stilvollen Sommerkleidern und teilweise kunstvoll befestigen Kopfbedeckungen. Auch ich genoss es wieder in kurzer Hose und T-Shirt vor die Tür gehen zu können.
Am nächsten Morgen standen wir früh auf um noch mehr Sightseeing zu unternehmen. Wir durchquerten Parkanlagen und standen etwas enttäuscht vorm größten Springbrunnen der Welt, der leider außer Betrieb war. Den Mittag und Nachmittag verbrachten wir in einer Hotellobby mit WLAN (das gibt es nur vereinzelt in Turkmenistan und nicht Mal WhatsApp funktioniert ohne VPN), auf einem Markt und in einem sehr hippen Cafe. Mit voll bepacktem Tandem erreichten wir am frühen Abend den Bahnhof der Hauptstadt um mit dem Nachtzug Richtung Turkmenabat an der Grenze zu Uzbekistan zu fahren. Obwohl wir uns ab Tag zuvor extra versichert hatten, verweigerte man uns die Mitnahme des Tandems. Nach endlosen Diskussionen (zum Glück fand sich recht schnell ein Student, der für uns übersetzte) räumten wir unser Gepäck wieder aus dem Zug und bekamen 1,5 Tickets wieder erstattet. Unser ganzer Plan war im Eimer und wir beide schlecht gelaunt. Durch Zufall trafen wir dann aber noch zwei weitere Studenten, die auf einen Zug nach Mary warteten. Diese Stadt lag ungefähr auf der Hälfte der Strecke und wir fanden heraus, dass in diesem Zug ein Fahrradtransport möglich ist. Das war zwar nicht optimal, aber wir umgingen eine weitere Nacht im Hotel. Das Schlafabteil erfüllte seinen Zweck, doch die Nacht war viel zu kurz, da wir um 4 Uhr aufstehen mussten um den Zug rechtzeitig zu verlassen.
Die Zeit bis zum Sonnenaufgang verbrachten wir in der Bahnhofshalle und unternahmen dann eine Stadtrundfahrt mit unserem Lieblingsfortbewegungsmittel. Um circa neun Uhr entschieden wir uns genug gesehen zu haben und statt auf einen Bus zu warten (welcher unser Fahrrad vielleicht auch nicht mitgenommen hätte) mal wieder ein Taxi zu nehmen (260 km für 25 USD inklusive einer Flasche Kamelmilch). An der turkmenischen Grenze mussten wir erstmal die Mittagspause abwarten und packten selbst ein paar Kekse aus. Alles klappte problemlos und zwischen Gepäckkontrolle und Stempelvergabe holte uns Pascal, der französische Radfahrer, der uns schon im Iran begegnet war, ein. Wir versprachen nach der Grenze auf ihn zu warten und machten uns auf Richtung usbekischer Grenzkontrolle. Vor unserer Einreise wurden wir nochmals genau kontrolliert und dann starteten wir in Land Nummer 12 unserer Reise. Da auch Usbekistan hauptsächlich aus öder Wüste besteht wollten wir auch in diesem Land nicht viel Radfahren. So war nach langer Diskussion und Verhandlung unser Tandem und Pascals Fahrrad in jeweils einem Taxi verstaut und wir erreichten noch am Abend das 100 km entfernte Bukhara.