Futaleufú nach Coyhaique (15.01. Bis 23.01.)
Wir erreichen Futaleufú am Abend, nachdem sich zwei Wildcampingplätze als unbrauchbar für uns herausgestellt haben. Zum Abendessen bestellen wir jeweils einen XL Burger und Paul ist etwas enttäuscht, dass ich nichts für ihn übrig lasse und nimmt zum Nachtisch noch einen Gemüse Empanada. Danach stellen wir unser Zelt auf einem Campingplatz auf. Morgens machen wir unsere üblichen Besorgungen bei Bäckerei und Supermarkt. Dann geht es weiter in hügeligem Gelände mal auf Asphalt, mal auf Schotter. Irgendwann überholt uns langsam ein Auto und wir werden wieder lautstark angefeuert, es ist witzigerweise die gleiche Familie wie am Tag zuvor – wir haben also schon Groupies. Dann treffen wir Matic aus Slowenien auf dem Rad, der uns während unseres zweiten Frühstücks mit Donuts wieder überholt, dann Leoni aus Deutschland. Von Leoni wussten wir vorher schon, dass sie in der gleichen Gegend unterwegs ist wie wir, da sie eine recht große Reichweite auf Instagram hat. Die beiden sind Teil einer vierköpfigen Gruppe die sich unterwegs zusammen getan hat und die Abends immer wieder zusammenfinden. Wir sind etwas schneller unterwegs und auch unsere Mittagspause, mal wieder an einem wunderschönen See, fällt recht kurz aus, da Paul unaufhörlich von ganz fiesen bremsenartigen Fliegen angegriffen wird (ich dagegen werde in Ruhe gelassen und liege entspannt in der Sonne).
Es geht noch etwas steil bergauf, dann erreichen wir die Carretera Austral. Die Straße in Patagonien, an der kein Reisender vorbei kommt. Und dort liegt auch direkt unser Tagesziel, ein Privatgrundstück in einem Wald an einem Fluss mit Trockentoilette, das kostenlos zum campen zur Verfügung gestellt wird. Es ist super schön gelegen und wir sind nicht die ersten Radreisenden, die dort am Nachmittag aufschlagen. Schon bei unserer Ankunft sind es so viele, dass wir garnicht mit jedem ins Gespräch kommen. Wir genießen die Sonne, ein Bad im kalten Fluss, die Reiseberichte von Heiko aus Reutlingen und beobachten die Ankunft von immer mehr Radreisenden. Zum Abendessen kocht Paul Kartoffeln mit Hackfleisch und Gemüse und damit haben wir auf dem Platz den Preis für das kreativste, aufwendigste, aber auch leckerste Abendessen gewonnen. Heiko isst zum Beispiel seit Monaten jeden Abend Nudeln mit Tomatensoße. Aber gut, er ist seit Juli unterwegs. Vielleicht war er am Anfang seiner Reise auch etwas kreativer.
Am Fluss beim Essen versammelt sich eine kleine Runde aus Radfahren, Leoni und Matic sind auch wieder da, sowie Heiko und zwei weitere deutsche Mädels. Die Aussicht und Atmosphäre sind unglaublich schön. Es werden viele tolle Geschichten von bereits erlebten Radabenteuern erzählt und man möchte für einen Moment die Zeit anhalten, einfach weil es so unglaublich schön ist. Um 22.30 Uhr wird es aber auch im chilenischen Sommer langsam recht dunkel und an diesem Abend auch kalt. Daher löst sich die Runde bald auf und wir verkriechen uns in unsere Daunenschlafsäcke. Wie schön, dass wir das alle hier erleben können!
Trotz verhältnismäßig langem Abend sind wir mal wieder die ersten, die losfahren, am nächsten Tag. Aber es dauert nicht lange, bis uns andere Radreisende begegnen, die einen anderen Übernachtungsplatz gewählt hatten. Paul stellt erste Vergleiche zu deutschen Flussradwegen an, so viele Radfahrer sieht man auf der Carretera Austral. Nach unserem zweiten Frühstück machen wir die ersten 1000 km voll und dann holt Heiko uns ein und freut sich über unseren Windschatten. Gemeinsam steuern wir zu Mittag einen Imbiss an und probieren endlich unsere ersten Completos (das Pendant zum Döner im Deutschland). Ein langes Brötchen mit einer Art Wiener Würstchen, Tomaten, Guacamole und Mayonnaise. Nach circa 1000 km Radfahren in 2 Wochen auf alle Fälle sehr lecker. Am Nachmittag erfolgt auf dem Tandem wieder Brainstorming fürs Abendessen. Unsere Küche besteht immerhin aus einem Herd und zwei Töpfen, da ist schon einiges möglich, aber es bedarf manchmal etwas Improvisationsgeschick. Es werden Käsenudeln mit Tomatensalat. Mit Heiko finden wir einen guten Platz an einem kleinen Fluss für unsere Zelte. Etwas nach uns kommt auch noch eine Familie an. Wir sind wirklich beeindruckt, zwei kleine Kinder im Anhänger ziehen plus Gepäck und dann noch Wildcamping. Das können wir uns nicht vorstellen. Wirklich Respekt.
Natürlich beginnen wir auch den nächsten Tag wieder auf dem Rad, bei einstelligen Temperaturen hole ich das erste Mal die Handschuhe raus. Spätestens um die Mittagszeit kann man sich aber garnicht mehr vorstellen, dass einem morgens kalt war. An diesem Mittag fahren wir das erste Mal ans Meer, obwohl es garnicht danach aussieht. Der Fjord könnte auch gut ein weiterer See in der Landschaft sein, aber der salzige Geruch in der Luft ist verräterisch. Im von deutschen Siedlern gegründeten Puyuhuapi stocken wir unsere Vorräte auf und radeln dann weiter zu einem Nationalpark. Hier wollen wir zu einem Aussichtspunkt laufen, von welchem man einen Gletscher sehen soll. Wir packen Brotzeit ein und gehen los. Der Pfad führt durch einen sehr schönen Wald, tropischer, als wir ihn hier im Süden erwartet hätten. Heiko legt ein gutes Tempo vor und wir erreichen zügig den zugegebenermaßen echt überlaufenen Aussichtspunkt. Allerdings macht der Blick auf den Gletscher wirklich was her! Trotz vieler Menschen verweilen wir etwas und essen unsere Brötchen mit gekochten Eiern, Käse und Gurke. Dann steigen wir ab zu unseren Rädern, machen einen Zwischenstopp bei einem Restaurant für ein Craftbeer und nutzen das gute WLAN dort. Unser anvisierter Überbachtungsspot ist nur ein paar Kilometer entfernt und liegt direkt am Fjord. Im Prinzip ist es ein Parkplatz, aber sowohl Heiko als auch wir finden ein Stück Wiese für unser Zelt. Der Parkplatz füllt sich mit weiteren Campern, sowohl Vans als auch Zelte kommen hinzu. Kein Wunder, der Spot wird bei iOverlander mit einer besonderen Attraktion angepriesen, die keiner verpassen möchte. Wir kochen was, unterhalten uns mit anderen Reisenden und gehen schlafen, es hat gut getan an diesem Tag mal ein paar andere Muskeln als nur die zum Radfahren anzustrengen.
Das Frühstück am Morgen mit Blick über den Fjord ist wunderschön und dann passiert das, worauf alle gehofft haben (nur dass viele noch schlafen). Wir sehen Delfine. Immer wieder tauchen die Rückenflossen auf und vereinzelte Tiere können wir auch komplett im Wasser sehen, da sie direkt unterhalb unserer Steilküste vorbei schwimmen. Wir sind für einen kurzen Moment richtig verzaubert. Aber nicht nur die Delfine ziehen weiter, auch wir brechen auf um das Meer wieder zu verlassen.
Auf der Straße sind wieder viele Radreisende unterwegs. Diesmal sehen wir eine Reisende mit Korb auf dem Gepäckträger, in welchem ein Hund mitfährt. Es folgt ein steiler Pass, den es zu bezwingen gilt. Heiko ist hier eindeutig im Vorteil und fährt uns davon, verspricht aber oben zu warten. Wir treffen beim bergauf strampeln auf Jed aus England, er ist schon länger unterwegs und so fit, dass er beim gemeinsamen Anstieg ausreichend Puste hat um uns besser zu unterhalten als jeder Podcast. Da wird die Anstrengungen zur Nebensache und ehe wir uns versehen ist die Passhöhe und Heiko erreicht, der schon 20 Minuten auf uns wartet (aber hey, er ist immerhin auch 5 Jahre jünger als wir :-)). Zu viert rollen wir bergab und suchen einen geeigneten Spot für eine Mittagspause. Ausnahmsweise findet sich mal kein wunderschöner Ort mit Ausblick, weswegen wir nicht wie angedacht Instant Nudeln kochen, sondern Energieriegel und Snacks essen um die 25 km zum nächsten Ort zu überbrücken. Außer Jed, der hat vorgesorgt und verweilt länger für seine Brotzeit. Im Ort besuchen wir ein fancy Cafe (es gibt sogar Iced Matcha Latte) und fassen einen Wildcampingspot 8 km entfernt an einem See ins Auge. Dort treffen wir zusammen mit Heiko wieder auf Jed. Das Wetter ist fantastisch und wir genießen es uns im See samt Fahrradklamotten sauber zu schwimmen. Auch hier bleibt es nicht bei uns vier Radreisenden, gegen 21.00 Uhr kommen noch vier weitere hinzu, die gleichen wie vom letzten Übernachtungsspot. Auch wenn es so spät noch sehr hell ist sind wir da schon halb auf dem Weg ins Bett und so bleibt es bei einem kurzen Austausch.
Am nächsten Tag radeln wir vormittags mit Jed und Nachmittags mit Heiko. Mittags sitzen wir den ersten Regenschauer der Reise in einer Bäckerei aus und probieren uns durch die Empanadas. Der Wind am Nachmittag legt ganz schön zu und die Straße, die wir wählen ist eine anstrengende Schotterpiste, dafür aber kaum befahren. Zum Glück finden wir einen Campingplatz mit Windschutzhütten für die Zelte und halten uns den ganzen Abend in der kleinen, warmen Rezeption auf. Und dann krabbeln wir ins Zelt mit der Aussicht auf ein richtiges Bett am nächsten Abend. Der nächste Radtag ist kurz, nur 48 km müssen wir bewältigen. Das ist machbar bis zum Mittagessen. Im Sattel steigt dann aber auch der Vorfreude auf zwei fahrradfreie Tage, denn zeitweise ist die Piste ganz schön holprig. Trotzdem kommen wir mittags in der Stadt an, besorgen Brotzeit und suchen unser Airbnb. Unser Zuhause für die nächsten drei Nächte nach zehn Nächten im Zelt. Unsere zwei Ruhetage füllen wir mit Essen kaufen, Essen zubereiten und besonders wichtig, Essen essen :-). Unteranderem gibt es Pancakes zum Frühstück. Dann stellen wir fest, dass unser Frontgepäckträger gebrochen ist, also fahren wir zu einer Autowerkstatt. Der Mechaniker dort fängt sofort an mit seinem Schweißgerät den Gepäckträger zu reparieren, aber er ist ein echter Grobmotoriker. Paul überlegt noch ob er ihn aufhalten soll, weil er fast den Gepäckträger wegbrennt, aber dann ist es gefühlt auch schon zu spät. Der Gepäckträger ist repariert und wir hoffen, dass das lange anhält. Dafür merken wir, nachdem wir die Werkstatt verlassen haben, dass unser Vorderrad Luft verliert. Der Herr hat in seinem Übereifer unseren Vorderreifen angeschmort. Wir sind tubeless unterwegs und hoffen, dass die Dichtmilch das Problem lösen kann. (Leider nicht hundertprozentig, Paul muss viel nacharbeiten und öfter mal Pumpen…). Während wir mit unserem Tandem in der Stadt unterwegs sind spricht uns ein kanadisches Pärchen an. Die beiden sind auch mit dem Tandem und Zelt unterwegs. Und was noch viel krasser ist, sie ist bereits 72 Jahre alt! Wir sind sehr beeindruckt und hoffen in 40 Jahren auch noch so fit und abenteuerlustig zu sein. Mit gefüllten Taschen, sauberen Klamotten einem geschweißten Gepäckträger und erholten Beinen sind wir nach zwei Tagen dann bereit wieder weiter zu reisen.