La Paz nach Rurrenabaque (14.03. bis 20.03.)

Die Sonne lacht vom Himmel als wir morgens mit unserem Gastgeber das Tandem auf sein Auto laden. Der Plan ist unseren Transport aus der Stadt raus mit einem Familienausflug zu verbinden und so verlassen wir La Paz zu sechst im Auto. Paul und Cristian, unser Gastgeber, vorne und ich mit seiner Frau, dem Sohn und dem Opa auf der Rückbank. Als wir aus der Stadt fahren, sehen wir reihenweise Autos an Tankstellen anstehen. Das hatten wir auch schon aus den Gondeln beobachtet. Derzeit ist viel zu wenig Benzin in Bolivien verfügbar, weil nicht genug Dollar da sind um welches Einzukaufen. Die Schlangen sind teils Kilometerlang und die Menschen stehen über 10 Stunden an, um dann maximal 30l Benzin zu bekommen. Unser Tank ist aber noch ausreichend befüllt und nach einem kurzen Stop um einen Mittagssnack zu kaufen erreichen wir unser Ziel. Die Passhöhe la Cumbre liegt auf 4670 m über NN und hängt ganz schön in den Wolken. Während Cristian aufbricht um um den See zu joggen verzehren wir mit dem Rest der Familie den Mittagssnack im Auto. Dann satteln wir unser Tandem und machen uns auf den Weg. Es geht stetig bergab, es ist kalt und wir werden ordentlich nass. Noch auf Asphalt treffen wir die ersten organisierten MTB Gruppen, alle auch nass und durchgefroren. Und dann kommt der Abzweig auf die Camina de la Muerte, die Death Road. Ursprünglich war das die einzige Strecke in das Amazonasgebiet und sie trägt den Namen, da auf der Straße an den steilen Abgründen damals viele Fahrzeuge verunglückt sind (200-300 Tote pro Jahr!). Mittlerweile ist die Straße aber für den normalen Verkehr gesperrt, da es eine breite Asphaltstraße als Alternative gibt. Die Death Road dient nurnoch zum Touristenvergnügen. So fahren wir mit einigen geführten Gruppen immer weiter auf Schotter bergab. Umso mehr Höhenmetern wir verlieren um so wärmer wird es und auch die Landschaft verändert sich. Schon bald fühlt man sich mitten im Dschungel und fährt immer wieder an rauschenden Wasserfällen vorbei oder sogar unten durch. Die Guides der Gruppen sind sehr nett, sie machen uns auch auf gefährliche Stellen aufmerksam, schenken uns Bananen und bewundern unser Tandem. Der Regen lässt nach und wir können die Abfahrt genießen. Dadurch erreichen wir am Nachmittag sicher das Ende der Strecke auf circa 1200 m ü. NN – Noch nie haben wir an einem Tag so viele Höhenmeter „vernichtet“.

Während die geführten Touren wieder mit dem Bus zurück nach La Paz fahren, wollen wir nach Coroico. Das liegt leider wieder deutlich weiter oben, als der Punkt an welchem wir die Death Road abgeschlossen haben. Da es aber schon Nachmittag ist und wieder regnet organisieren wir uns wieder einen motorisierten Transport dorthin. Coroico gefällt uns richtig gut. Wir genießen das angenehme Klima und die touristische Infrastruktur des Ortes. In unserer Unterkunft mit unglaublich tollem Ausblick über die umliegenden Berge und Täler bleiben wir für drei Nächte und unternehmen verschiedene Ausflüge. Als erstes zu einer Kaffeeplantage mit eigener Rösterei (hier kaufen wir Kaffee und können diesen direkt den anderen Teilnehmern mitgeben, die ein paar Tage später zurück nach München fliegen), dann zu einer Auffangstation für gequälte Dschungeltiere (Affen und Papageien gibt es dort am meisten) und außerdem noch zu einem Wasserfall. Zwischendrin essen wir handgemachte (nicht von uns) Pizza und Pasta, Eis, Gemüselasagne und noch vieles mehr. 

Nach zwei Fahrrad freien und sonnigen Tagen fahren wir wieder weiter. Wieder kommen wir an Warteschlangen von Autos vorbei die alle für nicht vorhandenes Benzin anstehen. Die Wolken hängen wieder tief an diesem Tag und es dauert nicht lange, bis wir die ersten Regentropfen abbekommen. Zu unserem Pech werden es immer mehr und mehr und wir immer nässer und nässer. Die Straße schlängelt sich durch ein Flusstal und wir sehen sehr viel Wasser die Hänge hinab laufen, aber auch auf der Straße sammelt es sich in großen Mengen in Schlaglöchern. Ein rücksichtsloser LKW fährt voll Karacho durch so ein Schlagloch und duscht uns von oben bis unten mit Schlammwasser. Auch während unserer Mittagspause vor einem kleinen Laden lässt der Regen nicht nach und dann tauchen auch noch zwei finstere Tunnel auf der Strecke auf. In denen bleibt man zwar trocken und wir sind mit ausreichend Beleuchtung ausgerüstet,  trotzdem ist es ganz schön gruselig. Um so weiter wir uns unserem Tagesziel Caranavi näher, umso besser wird das Wetter. Wir können es selbst kaum glauben, aber am Nachmittag scheint dort einfach die Sonne und wir freuen uns über ein Hotel mit Pool. Wir erfahren, dass wir uns in der Kaffeehauptstadt Boliviens befinden (im Reiseführer wird die Stadt garnicht erwähnt). Wir merken davon am meisten weil man an jeder Straßenecke besten Cappuccino für circa 80 Cent bekommt. Da kann nichtmal Süditalien mithalten.

Bei den Konditionen könnte man dort auch einige Tage verweilen, aber das ist ja nicht da Prinzip einer Radreise. Also setzen wir nach Pancakes mit Obst und natürlich Cappuccino zum Frühstück unsere Reise fort. Der Regen hat uns nicht mehr eingeholt, stattdessen scheint die Sonne und es ist sehr, sehr warm – wir nähern uns dem Amazonas Tiefland. Wir kommen ganzschön ins Schwitzen, denn es geht viel bergauf. An einem Wasserfall tränkt Paul sein Radtrikot zur Abkühlung. Am höchsten Punkt in einem kleinen Ort machen wir Brotzeit mit Avocado und Tomate und essen ein Wassereis. Und dann verlieren wir wieder viele Höhenmeter und kommen wieder an vielen Wartenden vor einer Tankstelle vorbei, sogar mit Kanistern stehen die Leute an. Vorm letzten Hügel kühlen wir uns nochmals mit einem Eis ab und fahren dann zu unserem Tagesziel. Sapecho ist ein kleiner Ort und vollkommen untouristisch. Das einzige am Abend geöffnete Restaurant serviert Hähnchen, frittiert oder gegrillt mit Reis, Nudeln und Pommes. Dafür ist es aber sehr gut besucht.

Der nächste Morgen überrascht uns mit Regen, mit dem wir, nach dem heißen Tag zuvor nicht mehr gerechnet hatten. Warm ist es trotzdem noch und als wir die Unterkunft verlassen hat auch der Regen aufgehört und wir können kleine Papageien von unserem Balkon aus beobachten. Der Regen hat unsere Radelmotivation etwas gebremst, aber wir hoffen, dass es trocken bleibt und fahren zuerst ein Wasser kaufen. Beim Bezahlen erzählt mir der Besitzer des Minimarktes, dass es einen Block weiter richtig gute Schokolade zu kaufen gibt. Zwar ist es dafür etwas warm, aber anschauen wollen wir uns die Sache schon. Wir finden den Laden und stellen fest, dass dazu noch eine Fabrik gehört. Weil wir das echt cool finden, kaufen wir einige Tafeln Schokolade für die kälteren Tage und fragen ob eine Führung im Werk möglich wäre. Nicht viel später radeln wir einem Mitarbeiter hinterher und erreichen recht bald das Gelände zum Fermentieren und Trocknen der Kakaobohnen. Ein Mitarbeiter von „El Ceibo“ nimmt sich viel Zeit und zeigt und erklärt uns alles. Natürlich auf Spanisch, wodurch bei uns leider nicht alles ankommt, aber alles zu sehen und einige Fakten zu hören ist trotzdem echt spannend. Wir dürfen an den Bohnen riechen und diese auch anfassen. Richtig coole Erfahrung. Dann ist unsere Führung beendet und wir um einige Eindrücke und Schokoladentafeln reicher.

Das Wetter hält zwar, aber der Vormittag ist schon fast vorbei und wir schätzen, dass wir die nächste anvisierte Stadt mit dem Fahrrad an diesem Tag nicht mehr rechtzeitig erreichen würden. Aus diesem Grund beginnen wir uns an der Straße nach Sammeltaxis zu erkundigen. Erst am Abend wieder, heißt es. Nicht die Antwort, die wir uns erhofft hatten. Also versuchen wir zu trampen und haben Glück. Nach fünf Minuten hält ein leerer Lkw. Über 90 km nimmt er uns mit, Paul auf dem Beifahrersitz, ich sitze auf dem Bett hinter den Sitzen. Inklusive Mittagessen an einem Fluss (wir bestellen Fisch und bekommen zu unserer Überraschung Piranhas serviert) brauchen wir 4,5 h. Es gibt viele Schlaglöcher und wir fahren Slalom um diesen bestmöglich auszuweichen. Nachmittags erreichen wir dann Yucumo, unser geplantes Tagesziel. Nachdem Paul die Unterkunft dort besichtigt hat und nicht so überzeugt ist, beschließen wir noch einen Transport zum Weiterfahren zu suchen. Diesmal klappt es nicht so einfach wie am Vormittag, aber wir finden ein Sammeltaxi und spannen das Tandem aufs Dach, unsere Flipflop klemmen wir als Polsterung dazwischen. Als wir dann in Rurrenabaque ankommen ist es gerade dunkel und wir sind froh am Ziel zu sein. Rückblickend wäre die letzte Etappe mit dem Rad bestimmt auch ganz schön gewesen, aber jetzt sind wir halt doch schon da. Rurrenabaque oder von den Einheimischen auch Rurre genannt ist ein Backpacker Eldorado. Wir genießen die Annehmlichkeiten wie Hängematten, Restaurants mit vielen vegetarischen Gerichten und Bäckereien mit Croissants, Käsekuchen und Milkshakes. So verbringen wir einen entspannten Tag, telefonieren viel mit Zuhause und buchen eine fünftägige Dschungeltour mit Start am nächsten Tag.