La Paz nach Arequipa (26.03. bis 06.04.)
Nach viel Geschaukel, einigen Zwischenstopps und vielen Höhenmetern kommen wir morgens sicher in La Paz an. Den Tag in der Hauptstadt füllen wir mit Organisatorischem wie Wäsche waschen lassen, Bus buchen und Taschen umpacken. Ein Franzose, der mit uns im Dschungel war, ist so nett und nimmt unsere Schlafsäcke und Radtaschen mit nach Europa. Somit steht unserer Reise mit leichtem Gepäck nichts mehr im Weg.
Da wir nicht aus La Paz mit dem Tandem rausfahren wollen (viel zu steil und viel zu viele Abgase), steigen wir am nächsten Tag in einen Bus Richtung Titicacasee. Unterwegs hagelt es ordentlich, sodass es aussieht als würde Schnee auf der Fahrbahn liegen. Zur Mittagszeit erreichen wir dann Copacabana. Aber nicht den bekannten Strand in Rio de Janeiro, sondern eben ein kleines, bolivianisches Städtchen am großen Titicacasee. Wir verbringen den Nachmittag sehr entspannt und erholen uns von Dschungel und Nachtbus. Am Abend gönnen wir uns in einem touristischen Restaurant Lasagne, Salat und Rotwein und stoßen auf die Halbzeit unserer Reise an. Wahnsinn, was wir in den drei Monaten schon alles erleben konnten. Als wir da so sitzen fängt es an draußen stark zu regnen und es dauert nicht lange, da tropft es auch von der Decke. Nicht das erste Mal, dass wir diese Erfahrung in Bolivien machen, aber man fragt sich dann halt immer, wie lange es noch dauert bis auch der Putz von der Decke fällt. Die Erfahrung bleibt uns zum Glück erspart, stattdessen fahren wir für 1,50 Euro den Kilometer zu unserem Hostel mit dem Taxi zurück.
Auch am nächsten Tag lassen wir unser Tandem noch links liegen. Es steht ein Ausflug auf die Isla de Sol an. Dazu fahren wir erst zwei Stunden Boot über den See und erreichen so das Nordufer der Insel. Dort fängt ein einheimischer Herr die ganze Truppe vom Boot ab. Er will uns einen Teil der Insel zeigen und lässt uns ehrlich gesagt keine Wahl ob wir das auch so wollen. Ist auch ganz nett gemeint, aber wir können seinen Erklärungen auf Spanisch zum Leben auf der Insel und Bauten der Inka nur bedingt folgen. Dafür sprechen wir die Sprache einfach noch zu schlecht. Wir sind froh, als er die Gruppe entlässt und wir in unserem eigenen Tempo die wunderschöne und ruhige Insel erkunden können. Die türkisnen Buchten, die kleinen Steinmauern, die Blumen und grasende Schafe und Esel verleihen der Insel einen mediterranen Flair. Und das auf 3800 m über dem Meer. Die dünne Luft bringt uns beim Wandern auch ganz schön außer Atem, aber dafür scheint die ganze Zeit die Sonne, so wie es der Name der Insel verspricht. Mit vielen kleinen Stops zum Aussicht und Essen und Trinken genießen sind wir gerade wieder rechtzeitig am Boot für die Rückfahrt vom Südteil der Insel. Am Abend essen wir Forelle aus dem See und Zimtschnecken und testen den Billardtisch in unserer Unterkunft.
Dann geht es endlich wieder aufs Fahrrad. 10 Tage haben wir es nicht wirklich genutzt. Es ist richtig schön endlich wieder zu radeln. Schon nach 10 km erreichen wir die Grenze nach Peru und müssen uns von Bolivien verabschieden. Es hat uns sehr gut gefallen in diesem abwechslungsreichen Land. Der Grenzübertritt ist super einfach und in wenigen Minuten haben wir neue Stempel im Pass. Das klassische Programm in der ersten Stadt nach der Grenze ist Geld abheben und eine Simkarte kaufen. Das mit der Simkarte klappt leider nicht, aber angeblich soll das in der nächsten größeren Stadt funktionieren. So radeln wir weiter entlang des Titicaca Sees. Die Landschaft ist saftig grün und es wächst erstaunlich viel auf dieser Höhe. Unsere Mittagspause machen wir an einem Essensstand neben der Straße. Es gibt frittierte Forelle und frittierten Käse mit Kartoffeln. Wir sind richtig glücklich, dass es nicht auch Pommes sind. Essen frittieren ist in Südamerika sehr beliebt und normale Pellkartoffeln hatten wir bis dahin kaum. Gut gesättigt nehmen wir die letzten 25 km bis zu unserem Ziel Juli in Angriff. Dort steuern wir am frühen Nachmittag eine Unterkunft an, die uns online wegen der guten Bewertungen aufgefallen ist. Als wir klingeln öffnet uns Gernot aus Deutschland die Türe. Er betreibt die Unterkunft und unsere Erwartungen werden nicht enttäuscht. Trotz super schönem Zimmer wollen wir aber auch das Wetter nutzen und gehen an den Strand. Der Strand ist vor allem ein Ziel für lokalen, einheimischen Tourismus – es ist Wochenende und dementsprechend viel los. Es gibt viele Grillrestaurants (ausnahmsweise also nichts Frittiertes), Volleyballnetze, Tischkicker, Trampoline, einen Quadpark und Sandstrand. Aufgrund des Wetters beschließen wir schwimmen zu gehen und sind überrascht, dass der See gar nicht so kalt ist (laut Internet 15,8 Grad). Unterkunft und Strand gefallen uns so gut, dass wir beschließen einen weiteren Tag zu bleiben.
Wir entspannen, telefonieren, planen, schreiben Blog und machen einen kleinen Ausflug ins Zentrum des Ortes. Während wir eine Simkarte und Obst und Gemüse kaufen fahren zwei andere Radfahrer auf den Platz. Sigrid und Jürgen sind auch aus Deutschland und insgesamt fünf Monate in Südamerika unterwegs. Wir tauschen Nummern aus und verabreden uns für den nächsten Tag unverbindlich in der nächsten Stadt zum Abendessen. Seit Patagonien sind uns auf der Straße keine Radreisenden mehr begegnet, daher freuen wir uns auf den Austausch. Am Abend kochen wir ordentlich viel Gemüse in der Küche unserer Unterkunft und hören gespannt zu was unser Gastgeber über die politische Lage, die Bevölkerung und die Geschichte des Landes zu berichten hat.
Die Strecke am nächsten Tag geht überwiegend flach dahin. Wir sehen viele Quinoa und Rapsfelder und machen Mittagspause bei Grabtürmen aus der Inka Zeit. Teilweise fügt sich ein riesen Stein an den anderen wie dafür zurecht geschliffen. Schon sehr faszinierend zu sehen. Am Nachmittag mache ich ein bisschen schlapp, weil ich mich nicht gut fühle. Wir legen deutlich mehr Pausen ein als üblich, kommen aber trotzdem noch recht früh in Puno an. Mit den anderen deutschen Radfahreren sind wir in einer touristischen, aber guten Pizzeria verabredet. Dort sind keine Einheimischen zu finden, dafür so viele Deutsche, dass man meinen könnte in München in einem Lokal zu sitzen. Wir tauschen uns mit Sigrid und Jürgen aus und sind wiedermal schwer beeindruckt. Die beiden sind 73 und noch so unglaublich fit und reiselustig. Sehr inspirierend. Nach gutem Essen und schönen Gesprächen kehren wir in unsere Unterkunft zurück und gehen früh schlafen.
Blöderweise schlafe ich sehr schlecht und fühle mich nicht gut über Nacht, was uns am Morgen schnell die Entscheidung treffen lässt, die nächste Etappe vom See weg erstmal nicht anzugehen. Stattdessen verbringen ich den ganzen Tag im Bett und schlafe viel, während Paul mit einigen Studenten Beachvolleyball spielt. Um mich zu schonen, buchen wir für den nächsten Tag einen Bus Transport nach Chivay. Anfangs finden wir die Strecke schön und stellen uns vor, wie es mit dem Fahrrad hätte sein können. Irgendwann sehen wir aber ordentlich viele LKWs und es beginnt zu regnen. Also doch ganz schön im Bus. Mittags sind wir dann in Chivay. Wir suchen uns erstmal was zu essen und weil es den ganzen Nachmittag durch regnet und ich mich noch nicht hundertprozentig fit fühle verbringen wir viel Zeit am Nachmittag in der Unterkunft. Am Abend geht es mir wieder recht gut, daher spielen wir in einer Bar Jenga und Schach, leider bei gefühlt eisigen Temperaturen. Nachts sind die Temperaturen einstellig und kaum ein Haus hat eine Heizung oder gar Isolation wie z.B. mehrfach verglaste Fenster. Dafür wird gerne die Tür offen gelassen. Die Menschen hier leben ganz anders mit den kalten Temperaturen als wir es tun. Bis zu einem gewissen Grad sicher auch aus finanziellen Gründen. Zurück in der Unterkunft spielen wir zum Abschluss des Tages noch zwei Runden Tischkicker.
Über Nacht verzieht sich der Regen und der Morgennebel löst sich auch recht bald auf. Perfekt um wieder Fahrrad zu fahren. Unser Weg führt durchs Colca Tal. Es ist ein richtiger Genuss Radel Tag. Alles ist grün, der Fluss schlängelt sich im Tal, wir sehen schneebedeckte Gipfel und halten immer wieder an um Andenkondore zu beobachten, die größten Greifvögel der Welt (auch wenn sie auf die Distanz kleiner wirken, als sie eigentlich sind). Durch die Sonne ist es angenehm warm und die 1000 Höhenmeter fallen uns recht leicht. Das Flusstal wird mehr und mehr zum tiefen Canyon und wir erreichen Cabanaconde. Wir checken in unserer Unterkunft ein und gehen auf Streifzug durch den Ort. Für den Abend finden wir wieder ein lokales Restaurant in welchem wir uns ein wenig mit einem alten Mann über Fußball unterhalten, weil das gerade im Fernsehen läuft (unser beider Spezialgebiet :-D). Danach gehen wir noch in einen Laden und kaufen Käse für die Wanderung am nächsten Tag. Eigentlich finden wir der Laden sieht recht sauber aus, aber als wir nur einen halben Käse verlangen, legt die Verkäuferin den Käse einfach neben ein gerupftes Hähnchen und zerteilt diesen. Dabei berührt der Käse das rohe Hähnchenfleisch. Wir würden beide am liebsten eingreifen, können wir aber nicht. Den Käse jetzt nicht kaufen geht aber auch nicht. Der Frau ist ja überhaupt nicht klar, dass sie in unseren Augen gerade etwas total falsch gemacht hat. Also zahlen wir und nehmen das Stück Käse entgegen. Paul hat dann die Idee, warum nicht desinfizieren? Was wir sonst auf unsere Hände und Oberflächen sprühen, hilft bestimmt auch auf dem Käse gegen fiese Hähnchen Keime. Gesagt, getan. Ich bin skeptisch, ob der Käse dann noch schmeckt, aber das wird sich am nächsten Tag dann schon heraus stellen (hat nicht danach geschmeckt).
Nach dem Frühstück laufen wir direkt von unserer Unterkunft aus los. Zum Glück dürfen wir Tandem und Gepäck dort lagern und sind nur mit einem Rucksack unterwegs. Es geht steil bergab in den Canyon. Am Wegesrand wachsen viele Kakteen und andere Pflanzen und der Ausblick ins Tal ist herrlich. Uns begegnen nur wenige andere Wanderer und wir sind die ersten, die nach einigen Stunden in der Unterkunft ankommen. Bei Sonnenschein genießen wir den tollen Garten mit kleinen Thermalpools, Orangenbäumen, Hängematten, bunten Blumen und einer tollen Aussicht. Am Abend kommt dann der Regen, den wir nutzen um unsere Schachskills weiter zu verbessern.
Der nächste Tag verwöhnt uns wieder mit Sonnenschein und wir wandern bergauf und bergab, sehen blühende Kakteen und ernten Feigen von Bäumen neben dem Weg. Nach sechs Stunden wandern und genießen kommen wir zu unserer nächsten Bleibe für die Nacht. Das Bett ist gigantisch groß und bequem. Überhaupt hat Peru bis jetzt die bequemsten Betten auf der Reise. Außer uns ist nurnoch ein belgisches Pärchen zu Gast, mit welchem wir bei leckerem Abendessen gute Gespräche führen.
Den nächsten Tag gehen wir sportlich an, es gilt gut 1100 Höhenmeter aus dem Canyon aufzusteigen und wir wollen am späten Vormittag den Bus nach Arequipa nehmen, vorher aber noch duschen und Mittagessen. Da wir an die Höhe gewohnt sind und konditionell derzeit auch recht fit, kommen wir ganz gut voran und sind rechtzeitig in Cabanaconde zurück um noch alles zu erledigen. Auch der Busfahrer ist glücklicherweise locker drauf und lädt mit uns, nachdem wir beide Räder demontiert haben, das Tandem ein. Und dann geht es durch die Berge, teilweise mit Schnee rechts und links der Fahrbahn ins trockene und warme Arequipa.